Ölmarkt unter Spannung: Hohe Frachtraten und Produktionslücken treffen auf gedämpfte Energiewende

Der globale Ölmarkt steht vor vielschichtigen Herausforderungen. Während kurzfristige Engpässe bei der Produktion und im Transport die Preise stützen, zeichnet eine neue Langzeitprognose des Energieriesen BP ein Bild, das die globalen Klimaziele für 2050 in weite Ferne rücken lässt.

Hohe Frachtraten belasten US-Ölexporte

Exporte von US-Rohöl nach Asien geraten zunehmend unter Druck. Grund dafür sind stark gestiegene Raten für Öltanker, die durch eine erhöhte Nachfrage aus China und die Positionierung von Händlern im Vorfeld möglicher OPEC+-Angebotsanpassungen angeheizt werden. Marktbeobachtern zufolge platzieren chinesische Raffinerien derzeit verstärkt Bestellungen, um ihre bis zum Jahresende gültigen Importquoten vollständig auszuschöpfen. Diese hohe Nachfrage nach Supertankern führt zu einer Verknappung verfügbarer Schiffe für die Route von Amerika nach Asien und könnte das US-Rohöl für asiatische Käufer unwirtschaftlich machen.

OPEC+ kämpft mit Produktionszielen

Gleichzeitig verfehlt das Ölkartell OPEC+ weiterhin seine eigenen Förderziele. Seit Beginn der beschlossenen Produktionssteigerungen im April hat die Allianz, zu der auch Russland gehört, nur etwa drei Viertel der zusätzlich geplanten Fördermenge erreicht. Das Produktionsdefizit beläuft sich auf fast 500.000 Barrel pro Tag, was rund 0,5 % der globalen Nachfrage entspricht. Analysten und interne Quellen führen dies darauf zurück, dass einige Mitgliedsländer ihre Produktionskapazitäten bereits ausgeschöpft haben, während andere frühere Überproduktionen kompensieren müssen. Dieses unerwartete Angebotsdefizit hat dazu beigetragen, den Preis für die Nordseesorte Brent in der Nähe eines Siebenwochenhochs von 69 US-Dollar pro Barrel zu stabilisieren und einer erwarteten Angebotsschwemme entgegenzuwirken.

BP-Prognose: Langfristig hohe Nachfrage nach Öl und Gas

Im Kontrast zur kurzfristigen Marktanspannung steht eine neue Prognose des Energieriesen BP, die von einer langfristig höheren Nachfrage nach Öl und Gas ausgeht. Laut dem jährlichen Ausblick des Unternehmens wird der Ölverbrauch im Jahr 2050 voraussichtlich 83 Millionen Barrel pro Tag erreichen – eine Anhebung um 8 % gegenüber der vorherigen Schätzung von 77 Millionen Barrel. Diese Entwicklung legt nahe, dass das globale Netto-Null-Ziel für 2050 nicht erreicht wird. Auch die Nachfrage nach Erdgas wurde nach oben korrigiert. Um die Klimaziele noch zu erreichen, müsste der Ölverbrauch laut BP bereits bis 2035 auf 85 Millionen und bis 2050 auf 35 Millionen Barrel pro Tag sinken.

Verschobener Höhepunkt des Ölverbrauchs und geopolitische Faktoren

BP erwartet den Höhepunkt des weltweiten Ölverbrauchs nun erst für das Jahr 2030 bei 103 Millionen Barrel pro Tag – fünf Jahre später als zuvor angenommen. Aktuell liegt der globale Verbrauch bei etwa 100 Millionen Barrel täglich. Spencer Dale, Chefökonom bei BP, betonte, dass geopolitische Spannungen, wie der Krieg in der Ukraine und Konflikte im Nahen Osten, den Fokus der Nationen verstärkt auf die nationale Energiesicherheit lenken. Dies könne einerseits den Übergang zu heimischen, kohlenstoffarmen Energiequellen beschleunigen und zur Entstehung von „Elektrostaaten“ führen. Andererseits könnte es auch eine Präferenz für die heimische Förderung fossiler Brennstoffe gegenüber Importen begünstigen.

Die langsame Dominanz der Erneuerbaren Energien

Trotz des rasanten Wachstums erneuerbarer Energien wird Öl voraussichtlich für den Großteil der nächsten zwei Jahrzehnte die wichtigste globale Energiequelle bleiben. Ihr Anteil an der Primärenergieversorgung soll von aktuell über 30 % nur geringfügig auf 30 % im Jahr 2035 sinken. Der Anteil der Erneuerbaren wird im selben Zeitraum von 10 % (2023) auf 15 % ansteigen. Ein Überholen des Öls durch erneuerbare Energien wird erst gegen Ende der 2040er Jahre erwartet. BP prognostiziert zudem, dass Wind- und Solarenergie bis 2035 mehr als 80 % des steigenden Strombedarfs decken werden, wobei die Hälfte dieses Zuwachses auf China entfallen wird.

Strategiewechsel bei BP unterstreicht den Trend

Die Prognose spiegelt auch den jüngsten Kurswechsel bei BP selbst wider, der in den letzten Monaten für Kritik von Umweltschützern sorgte. Nachdem das Unternehmen unter dem ehemaligen CEO Bernard Looney eine ambitionierte grüne Strategie verfolgte, hat sein Nachfolger Murray Auchincloss nach dem Druck von aktivistischen Investoren wie Elliott Management eine „fundamentale Neuausrichtung“ eingeleitet. Angesichts steigender Öl- und Gaspreise sowie der Unzufriedenheit der Anleger über den stagnierenden Aktienkurs rückt die Förderung fossiler Brennstoffe wieder stärker in den Fokus. Dieser Schritt verdeutlicht, dass die in der Prognose skizzierten Trends bereits heute unternehmerische Entscheidungen prägen.