Historische Wende auf dem globalen Strommarkt
Es ist ein Meilenstein, auf den Experten seit der industriellen Revolution gewartet haben. Das renommierte Wissenschaftsmagazin Science, herausgegeben von der American Association for the Advancement of Science (AAAS), hat den rasanten Ausbruch der erneuerbaren Energien zum „Breakthrough of the Year“ für das Jahr 2025 gekürt. Der Anlass ist historisch: Erstmals überhaupt wurde weltweit mehr Strom aus regenerativen Quellen erzeugt als durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Analysen des Londoner Energie-Thinktanks Ember belegen diese Verschiebung eindrücklich. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres belief sich die globale Stromerzeugung aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Quellen auf rund 5.072 Terawattstunden (TWh). Damit wurde die Kohleverstromung, die im selben Zeitraum bei 4.896 TWh lag, überrundet. Bemerkenswert ist dabei, dass der gesamte weltweite Anstieg der Stromnachfrage von Januar bis Juni allein durch Wind- und Solarenergie gedeckt werden konnte, was auf eine fundamentale Änderung der Verbrauchsmuster hindeutet.
China als Motor der globalen Energiewende
Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung sind vor allem China und Indien. Lange Zeit galt China als der „Klimasünder“ schlechthin, dessen Emissionen die aller anderen Industrienationen zusammen übertrafen. Doch das Bild wandelt sich. Präsident Xi Jinping bekräftigte kürzlich vor den Vereinten Nationen das Ziel, die CO2-Emissionen drastisch zu senken. Die Taten folgen auf dem Fuß: Riesige Solarparks erstrecken sich mittlerweile über das tibetische Hochland und die Wüstenregionen, während an den Küsten Windturbinen von bis zu 300 Metern Höhe installiert werden. Im Vergleich zum Vorjahr konnte China die fossile Stromerzeugung um zwei Prozent drosseln, während Solar- und Windkraft um 43 beziehungsweise 16 Prozent zulegten.
Die Dominanz des Reichs der Mitte ist dabei nicht nur operativ, sondern auch industriell erdrückend. Dank jahrelanger staatlicher Subventionen stammen heute 80 Prozent der weltweit gefertigten Solarzellen und 70 Prozent der Lithium-Batterien sowie der neuen Windkraftanlagen aus chinesischer Produktion. Die installierte Kapazität an erneuerbaren Energien in China würde inzwischen ausreichen, um die gesamten Vereinigten Staaten mit Strom zu versorgen.
Ausstrahlungseffekte auf den Globalen Süden
Diese Marktmacht hat direkte Folgen für den Rest der Welt. Länder des Globalen Südens greifen zunehmend auf die preiswerte chinesische Technologie zurück, um ihre eigene Energieversorgung zu sichern. Pakistan beispielsweise verfünffachte seine Importe von Solarmodulen zwischen 2022 und 2024. Auch in Indien stieg die Erzeugung aus Wind und Sonne sprunghaft an, was dort zu einem Rückgang des Kohle- und Gasverbrauchs um über drei Prozent führte. Selbst Länder wie Südafrika, geplagt von einer maroden Kohleinfrastruktur, oder Äthiopien, dessen Wasserkraftwerke unter Dürren leiden, setzen nun verstärkt auf den Ausbau von Solar- und Windkapazitäten.
Politische Hürden und Rückschläge im Westen
Trotz dieser Erfolge warnt Science vor verfrühtem Optimismus. Es bleiben erhebliche praktische Hürden, und in einigen Teilen der Welt formiert sich politischer Widerstand. Besonders in den USA zeigt sich ein gespaltenes Bild. Während der globale Trend zur grünen Energie geht, unterzeichnete US-Präsident Trump in diesem Jahr eine Exekutivanordnung zur Förderung der Kohleproduktion. Tatsächlich verzeichneten sowohl die USA als auch die Europäische Union in der ersten Jahreshälfte einen leichten Anstieg bei der fossilen Stromerzeugung – ein gegenläufiger Trend zum globalen Durchschnitt.
Lokale Lösungen gegen steigende Kosten
Doch abseits der großen geopolitischen Bühne suchen Bürger in den USA pragmatische Wege, um von der Energiewende zu profitieren – oft getrieben von hohen Stromrechnungen. Ein Beispiel hierfür ist der Bundesstaat Connecticut, wo das „Shared Clean Energy Facilities“ (SCEF) Programm an Fahrt aufnimmt. Ziel ist es, die steigenden Energiekosten abzufedern, selbst für jene, die keine eigenen Solaranlagen installieren können.
Das Programm richtet sich gezielt an Mieter oder Hausbesitzer, deren Dächer beispielsweise zu viel Schatten werfen oder statisch ungeeignet sind. Über das SCEF-Modell können diese Haushalte Gutschriften auf ihre monatliche Stromrechnung erhalten, die aus großen, lokal betriebenen Solarprojekten stammen. In den nächsten acht Jahren sollen so 260 Megawatt an regenerativer Kapazität ins Netz eingespeist werden.
Soziale Ausrichtung und bürokratische Realität
Das Besondere an der Initiative ist ihre soziale Komponente. Einkommensschwache Haushalte werden bevorzugt behandelt. Wer beispielsweise als Einzelperson weniger als 75.643 Dollar im Jahr verdient (oder 122.516 Dollar bei einem Drei-Personen-Haushalt), qualifiziert sich oft automatisch für die Teilnahme, ohne einen Antrag stellen zu müssen. Die großen Energieversorger Eversource und United Illuminating (UI) verwalten das Programm unter Aufsicht der Regulierungsbehörde PURA.
Die Nachfrage übersteigt jedoch das Angebot bei weitem. Da 90 Prozent der Plätze für automatische Anmeldungen oder Opt-out-Verfahren reserviert sind, bleiben nur etwa zehn Prozent für die freiwillige Einschreibung. Ein Sprecher von Eversource dämpfte daher die Erwartungen: Wer sich heute anmeldet, landet höchstwahrscheinlich erst einmal auf einer Warteliste. Neue Plätze werden oft per Lotterie vergeben, sobald weitere Projekte ans Netz gehen.
Ausblick auf den regionalen Ausbau
Trotz der Wartelisten wächst das Programm stetig. Seit dem Start im Jahr 2018 wurde die jährliche Kapazitätsgrenze von 25 auf 50 Megawatt verdoppelt, und allein in den ersten drei Jahren konnte genug Strom für fast 16.000 Haushalte kontrahiert werden. Aktuell sind im Versorgungsgebiet von Eversource sieben Projekte in Betrieb, darunter Anlagen in Enfield, East Windsor und Glastonbury. Auch United Illuminating treibt den Ausbau voran, etwa mit einer Brennstoffzellenanlage in Derby und einem Solarprojekt in Milford. Das jüngste Projekt umfasst eine 10 Hektar große Solaranlage, die den Weg hin zum Gesamtziel von 260 Megawatt weiter ebnet. Es zeigt sich: Während auf weltpolitischer Ebene noch um den Kurs gerungen wird, schafft die Energiewende auf lokaler Ebene bereits konkrete finanzielle Entlastung für die Bürger.
